
In einer immer stärker globalisierten Welt ist es für Unternehmer, Investoren und vermögende Privatpersonen attraktiver denn je geworden, ihren Wohnsitz ins Ausland zu verlegen. Sei es aus steuerlichen Gründen, aufgrund des Lebensstils oder neuer Geschäftsmöglichkeiten – der Wegzug aus Deutschland ist keine Seltenheit mehr.
Doch wer denkt, der Abschied sei steuerlich einfach, wird schnell mit einem komplexen Thema konfrontiert: der Wegzugssteuer. Diese besondere Form der Steuer greift, wenn natürliche Personen mit wesentlichen Anteilen an Kapitalgesellschaften ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlagern.
In diesem Artikel erfährst du umfassend und leicht verständlich, was es mit der Wegzugssteuer auf sich hat, wann sie greift, wie hoch sie ausfallen kann – und welche Möglichkeiten es gibt, sie zu vermeiden oder zumindest aufzuschieben.

Die Wegzugssteuer (§ 6 AStG) ist eine deutsche Steuerregelung, die bei der Verlagerung des Wohnsitzes ins Ausland greift – speziell für Personen, die Anteile an Kapitalgesellschaften halten. Im Fokus steht dabei der verdeckte Veräußerungsgewinn von mindestens 1 % an einer Kapitalgesellschaft.
Konkret bedeutet das:
Wer seinen steuerlichen Wohnsitz aus Deutschland verlegt, muss unter Umständen so besteuert werden, als hätte er seine Gesellschaftsanteile verkauft – obwohl tatsächlich keine Veräußerung stattgefunden hat.
Die gesetzliche Grundlage ist in § 6 des Außensteuergesetzes (AStG) geregelt. Ursprünglich sollte damit verhindert werden, dass Unternehmer oder Anteilseigner durch einen Wegzug ins Ausland ihre stillen Reserven steuerfrei realisieren können.
Im Jahr 2022 wurde die Regelung verschärft:
Die Stundungsmöglichkeiten wurden eingeschränkt, und die Anwendung gilt nun auch für Wegzüge innerhalb der EU unter bestimmten Voraussetzungen.
Die Wegzugssteuer greift bei folgenden Bedingungen:
Natürliche Personen mit mindestens 1 % Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft
Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland in den letzten 7 Jahren
Verlagerung des Wohnsitzes in ein anderes Land
Besonders häufig betroffen:
Start-up-Gründer, GmbH-Gesellschafter, Investoren und Unternehmer, die über Beteiligungen im Privatvermögen verfügen.
Die Grundlage für die Wegzugssteuer ist ein sogenannter fiktiver Veräußerungsgewinn. Dieser wird berechnet, als ob du deine Unternehmensanteile am Tag des Wegzugs tatsächlich verkauft hättest – unabhängig davon, ob es in der Realität einen Verkauf gab.
Berechnungsformel:
Veräußerungsgewinn = Verkehrswert der Beteiligung – Anschaffungskosten
Beispiel:
Du besitzt 25 % an einer GmbH, die aktuell mit 1 Mio. Euro bewertet wird. Deine Anteile sind also 250.000 € wert. Hast du diese Anteile ursprünglich für 50.000 € erworben, liegt der fiktive Gewinn bei 200.000 € – auf diesen Betrag fällt dann die Steuer an.
Die Wegzugssteuer unterliegt der Einkommensteuerpflicht. Abhängig von deiner sonstigen Einkommenssituation liegt der Steuersatz zwischen 14 % und 45 %. Zusätzlich können Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer anfallen.
Wichtig: Es handelt sich um eine Einmalversteuerung stiller Reserven – eine Belastung, die viele überrascht.
Grundsätzlich kann die Steuer auf Antrag gestundet werden, wenn der Wohnsitz in ein Land der EU oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) verlegt wird. Seit 2022 gelten jedoch strengere Vorgaben:
Stundung nur noch über 7 Jahre in gleichen Raten
Jährliche Zahlungspflicht
Voraussetzung: Es bestehen vollstreckbare Abkommen zur Amtshilfe
Das bedeutet: Die Steuer wird nicht komplett erlassen, sondern aufgeteilt – und jährlich anteilig eingefordert.
Es gibt Ausnahmen, bei denen die Wegzugssteuer nicht greift oder zurückgenommen wird, etwa:
Rückkehr innerhalb von 7 Jahren (in bestimmten Fällen verlängerbar auf 12 Jahre)
Verlagerung ohne Aufgabe der unbeschränkten Steuerpflicht (z. B. durch Beibehaltung eines Wohnsitzes in Deutschland)
Bei Tod des Steuerpflichtigen vor Ablauf der Frist
Hier lohnt es sich, steuerliche Beratung im Vorfeld einzuholen, um Optionen zu prüfen und steuerlich vorausschauend zu planen.
Viele Unternehmer planen den Wegzug ins Ausland aus unternehmerischen oder privaten Gründen – unterschätzen dabei aber die steuerlichen Konsequenzen.
Zu den häufigsten Fehlern gehören:
Keine steuerliche Beratung vor dem Umzug
Unterschätzung des steuerpflichtigen Gewinns
Fehlende Prüfung von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)
Verlagerung in Nicht-EU-Länder ohne Stundungsregelung
Ein unüberlegter Wegzug kann zur sofortigen Steuerlast führen, obwohl kein realer Gewinn erzielt wurde – das kann existenzbedrohend sein.
Du möchtest die Wegzugssteuer vermeiden oder minimieren? Es gibt legale Strategien:
Beteiligung auf unter 1 % reduzieren
Rückkehr-Option offenhalten (z. B. Zweitwohnsitz in Deutschland behalten)
Timing optimieren, etwa durch Umstrukturierung oder Übertragung vor dem Umzug
Holding-Strukturen prüfen (etwa Verlagerung in deutsche Kapitalgesellschaften)
Wichtig: Alle Gestaltungen sollten mit einem Steuerberater oder Fachanwalt für Steuerrecht abgestimmt werden.
Auch andere Länder kennen Formen der „Exit Tax“. In Österreich, Frankreich oder Kanada bestehen ähnliche Regelungen – allerdings unterscheiden sich:
Bemessungsgrundlage
Fälligkeit
Stundungsbedingungen
In vielen Fällen kann eine Doppelbesteuerung drohen, wenn zwei Staaten denselben Gewinn versteuern wollen. Umso wichtiger ist eine professionelle Prüfung von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA).
Vor allem Gründer, GmbH-Gesellschafter oder stille Teilhaber mit mehr als 1 % Beteiligung sind betroffen – selbst wenn ihr Wohnsitzwechsel nicht steuerlich motiviert ist.
Auch Influencer, Investoren, Krypto-Halter oder digitale Nomaden, die Anteile an Kapitalgesellschaften besitzen, sollten die Wegzugssteuer ernst nehmen – selbst wenn sie nicht mehr dauerhaft in Deutschland leben.
Die Wegzugssteuer ist ein komplexes und oft unterschätztes Thema, das nicht nur große Konzerne, sondern vor allem natürliche Personen mit Unternehmensbeteiligungen betrifft. Wer Deutschland verlässt, sollte sich rechtzeitig und professionell beraten lassen, um böse Überraschungen zu vermeiden.
Die wichtigsten Punkte im Überblick:
Die Steuer greift bei mehr als 1 % Kapitalbeteiligung
Es wird ein fiktiver Verkaufsgewinn besteuert – unabhängig vom realen Verkauf
Stundung ist möglich, aber an Bedingungen geknüpft
Es gibt legale Strategien zur Optimierung und Vermeidung
Internationale Umzüge sollten sorgfältig geplant und steuerlich begleitet werden
Wer seine finanzielle Freiheit im Ausland sucht, sollte die Wegzugssteuer nicht als Hürde, sondern als Planungsfaktor verstehen. Mit der richtigen Vorbereitung lässt sich die Belastung erheblich minimieren.